Die "Anrufung der Realität" scheint für Ullrich Schwarz
"gleichbedeutend mit dem Bestreben, ... gültiges Wissen
und eindeutige Erkenntnis wiederzugewinnen."
"Dieses Grundmotiv sichert den Neuen Realisten ...
auch die Aufmerksamkeit anderer Disziplinen."
1)
Der jüngste Professor für Philosophie mit Schwerpunkt
Erkenntnistheorie hat mit seinem Buch "Warum es
die Welt nicht gibt" eine Diskussion ausgelöst,
in der überlegte Reaktionen eher selten sind:
Josef Bichler
"Warum es die Welt nicht gibt
- Markus Gabriel denkt nach"
2)
Bernhard Pörksen
"Es braucht den Tanz des Denkens"
3)
Die Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie hat als einzige
aller Theorien das Problem, dass sie sich selbst voraussetzt.
Alle Schulen der Erkenntnisgewinnung haben bis heute
keine Theorie bevorbringen können, die dies leistet.
Auch der Versuch des "Neuen Realismus", die "Wahrheit" wieder
als Prüfkriterium zu neuem Leben erwecken zu wollen, muss als
gescheitert betrachtet werden.
Der Verlust der Hoffnung auf das Absolute lässt uns nur allzu
bereitwillig neuen Hoffnungen folgen:
Dies sichert den Neuen Realisten und vielen alten und
neuen Glaubensrichtungen den Zustrom, den wir beobachten.
Was nottut ist ein mutiger Gedankenschritt der Menschheit
aus der Einsicht heraus, dass sich die Suche nach dem
Absoluten Bezugspunkt als Sackgasse erwiesen hat.
Dies erkennen zu können macht die Einzigartigkeit unserer
Existenz aus. Ob wir den Mut aufbringen, dem Prinzip des
Werdens und Wissenschaffens zu folgen, ist fraglich:
Denn dann müssen wir zunächst alles aufgeben, was wir uns
bisher geschaffen haben: Am Beginn des Wissenschaffens
besitzen wir keine "Sprache", keine Darstellungsformen.
Und vieles anderes nicht: Kein Wissen, keinen Status, ...
Wir wissen, dass wir
Wissen benötigen, um erfolgreich handeln zu können.
und dass wir dieses Wissen überprüfen müssen.
Deshalb sollen Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie herausfinden,
wie wir Wissen gewinnen und überprüfen können.
Dies als Forschungsziel zu vereinbaren, wäre der erste Schritt
einer realistischen Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie.
Denn jedes Wissenschaffen und Erkennen erfordert zwei Setzungen:
-
Das Setzen einer Funktion und
-
das Setzen eines Betrachtungsbereichs.
Die Funktion ist das WOZU wir den Bereich betrachten wollen.
Das WOZU ermöglicht es uns, nicht nur die Grenzen des
Betrachtungsbereichs zu bestimmen, sondern auch die Kriterien
zur Überprüfung des noch zu gewinnenden Wissens aufzustellen.
Dies als Grundlage einer Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie
gesetzt, vermeidet einen Zirkelschluss oder unendlichen Regress
und ermöglicht uns die für jede Art von Wissen "angemessenen",
sprich: funktionalen Kriterien zur Überprüfung zu bestimmen.
Alle "Wahrheitstheorien" werden somit miteinander
"versöhnt". Und die Philosophie kann zur ihrer eigentlichen
Aufgabe zurückkehren, Impulsgeber für unser Handeln zu sein.
Hans-Josef Heck ist Autor von
"Wissenschaffen und Handeln
Eine Grundlegung der
Wissenschafts- und Wirtschaftstheorie"
erschienen 2008 im Wissenschaftsverlag
Gardez!, Remscheid